Nephrologen befinden sich derzeit in einer ganz außergewöhnlichen Lage, die sie nicht nur von allen Unternehmern unterscheidet, die sich entschlossen haben, ihre Firma zu verkaufen. Auch unter den niedergelassenen Ärzten gibt es keine Berufsgruppe, die eine auch nur im Ansatz vergleichbare Ausgangssituation bei der Praxisübergabe haben.
1. Beim Verkauf an einen Konzern ist eine reguläre Praxisbewertung oft hinfällig.
Für den Käufer eines Unternehmens ist von entscheidender Bedeutung, wie das Unternehmen aufgestellt ist, das er erwerben möchte und wie es sich in das eigene Portfolio einfügen wird. Daher stellt er eine gewaltige Menge von Anforderungen und prüft diese akribisch. Natürlich geht es da um die Produkte, die Technologie des Verkäufers. Wahrscheinlich um Patente und Fertigungsverfahren, Knowhow und besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse des Inhabers und seiner Mitarbeiter in Schlüsselpositionen. Der Kundenstamm wird durchleuchtet, die Absatzchancen analysiert, jede Menge wirtschaftliche Daten ausgewertet und alle Rechtsbeziehungen bis ins kleinste Detail hinterfragt. Denn der Käufer muss sich davon vergewissern, dass das Unternehmen über die angebotene Technologie wirklich verfügt, ob die Produkte zukunftsfähig sind und dass nirgendwo Risiken lauern, die alles zunichtemachen können.
Wenn dagegen ein Konzern aus dem Gesundheitswesen eine nephrologische Praxis kauft, spielen solche Dinge nur eine Nebenrolle. Denn das gesamte Tätigkeitsgebiet des Nephrologen ist ohne weiteres klar. Daher geht es kaum um Dialysemaschinen oder Zentrifugen und die Fähigkeiten der Verkäufer werden selbstverständlich vorausgesetzt. Ein Nephrologe muss weder sein Produkt noch seine Technologie erklären. Er muss nicht bangen, dass der Käufer von seinen Fertigungsverfahren nicht überzeugt sein könnte, oder fürchtet, dass der Kundenstamm einfach wegbricht.
Der Käufer interessiert sich für den Arztsitz des Nephrologen, den Versorgungsauftrag, das Einzugsgebiet und die durchschnittliche Patientenzahl. Er vergleicht die Kostenstruktur mit dem konzernintern festgelegten Durchschnittswert und berechnet, wieviel Cashflow für die Refinanzierung des Kaufpreises übrigbleibt.
Der ganze Rest, der bei jedem normalen Unternehmenskauf und bei jeder Praxisübernahme die wesentliche Rolle spielt, braucht von den Nephrologen allenfalls dann intensiver beachtet werden, wenn sich die Praxis in keinem guten Zustand befinden sollte.
Daher ist es normalerweise möglich, sich schon zu Beginn der Verhandlungen eine spezifizierte Vorstellung vom zu erzielenden Kaufpreis zu machen, ohne erst eine detailreiche Praxisbewertung vornehmen zu müssen. Denn anhand des Versorgungsauftrages und der Patientenzahl lässt sich gut vorhersagen, welchen Preis der Nephrologe erwarten darf.
Es ist eine große Erleichterung für die Nephrologen, dass ihm vom Käufer ein Angebot gemacht wird, denn normalerweise muss ein Verkäufer selbst die Initiative ergreifen, sein Unternehmen bewerten und den so berechneten Kaufpreis gegenüber dem Käufer begründen und verteidigen.
2. Beim Verkauf an einen Konzern entfällt die Schwierigkeit einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Wer sein Unternehmen verkaufen oder an einen Nachfolger übergeben möchte, der hat eine ganze besondere Hürde zu meistern: Er muss einen Käufer finden. Dies gilt zunehmend auch für Praxisinhaber, insbesondere bei den Allgemeinärzten.
Die Suche nach dem Käufer ist kein einfaches Unterfangen, da er eine ganze Reihe von Anforderungen zu erfüllen hat. Es muss über die nötige Qualifikation verfügen, das richtige Alter haben, Berufserfahrung besitzen, muss vom Typ zum Selbstverständnis des Verkäufers und seiner Kunden passen, muss bereit sein, in der Nähe des Unternehmens seinen Lebensmittelpunkt zu wählen und zum passenden Zeitpunkt verfügbar sein. Dies sind nur die wichtigeren Kriterien. Das wichtigste von allen aber: er muss über genügend Bonität verfügen, um als Käufer überhaupt in Frage zu kommen.
Die Suche gestaltet sich oft als Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das ist in Wirtschaft und Industrie nicht viel besser als bei den Heilberufen. Dort wie hier gibt es Branchen oder Tätigkeitsfelder, die praktisch überhaupt keine Käufer mehr finden oder zu Preisen übergeben müssen, die zu den Lebensleistungen der Inhaber ganz außer Verhältnis stehen. Und je schwieriger das zu veräußernde Geschäftsfeld, desto größer das Angebot mehr oder weniger seriöser Vermittler und selbsternannter M&A Berater, die den nicht selten verzweifelten Verkäufern zwar keine Käufer vermitteln, dafür aber jede Menge Kosten verursachen. Denn wenn eine Firma, ein Geschäft oder eine Praxis schon einmal auf „falsche“ Art und Weise oder über einen längeren Zeitraum vergeblich angeboten worden ist, dann wird es immer noch unwahrscheinlicher jemanden zu finden, der sich wirklich für die Übernahme interessiert und nicht nur ein gutes Geschäft oder Schnäppchen wittert. Immer mehr Inhaber scheitern daher mit ihren Bemühungen und geben den Betrieb oder die Praxis frustriert auf, wohl wissend um die Lücke, die sie bei Kunden, Patienten und Mitarbeitern hinterlassen.
Die Nephrologen in Deutschland sind dagegen in einer außergewöhnlich komfortablen Situation. Denn wer als Käufer in Betracht kommt, liegt auf der Hand. Meist haben die Vertriebsmitarbeiter der Medizintechnik Konzerne längst Kontakt geknüpft und Interesse bekundet. Oft gab es auch schon Kontakt zu den Akquisitionsabteilungen der Konzerne, erste Gespräche wurden geführt oder sogar schon Angebote unterbreitet. All das noch lange bevor der Nephrologe sich ernsthaft Verkauf beschäftigt hat.
Neben den Konzernen gibt es natürlich noch andere potentielle Käufer, aber von Berufskollegen und dem gemeinnützigen KfH weiß man, dass nicht annähernd die Preise bezahlt werden, die erzielbar sind. Die Dialyseversorgung in den Händen der Gesundheitskonzerne zu sehen, kann man sicher auch mit gemischten Gefühlen sehen, aber die Behandlungsqualität ist hoch, die politischen Rahmenbedingungen fördern den Verkauf an die Konzerne. Und: welcher Nephrologe will schon zu einem Bruchteil seine Praxis an einen Kollegen verkaufen und am Ende dabei zusehen, wie der dann an die Industrie verkauft.
Dass die Medizintechnik Konzerne so viel bezahlen, hat einen guten Grund. Sie können im Dialysesektor nur durch Zukäufe wachsen und sichern so den Absatz für die nächsten Jahrzehnte. Der Markt ist hart umkämpft. Das kommt den Nephrologen zugute. Denn so wie die Konzerne um Marktanteile bei der Dialyse konkurrieren, konkurrieren sie auch beim Kauf von Dialysepraxen.
Einen Käufer suchen muss man als Nephrologe also nicht. Man hat vielmehr die Wahl, an wen man verkaufen möchte. Bei dieser Wahl ist es nur natürlich und legitim, sich mehrere Angebote unterbreiten zu lassen. Die Bieter wissen sowieso, wer die Mitbewerber sind. Am Ende setzt sich durch, wer das beste Gesamtpaket bietet.
3. Beim Verkauf an einen Konzern muss man sich auf Verhandlungen mit harten Bandagen einstellen.
Bei allen Vorteilen, die Nephrologen beim Praxisverkauf im Vergleich zu anderen Ärzten und den meisten Unternehmensbranchen haben, gibt es einen Wermutstropfen, den man nicht unterschätzen sollte. Anders als beim gewöhnlichen Praxisverkauf hat man keinen anderen Arzt gegenüber, mit dem man die Eckpunkte des Verkaufs am besten persönlich bespricht. Es sind auch keine normalen Steuerberater oder Anwälte mit dabei, an die man sich sonst wendet, wenn es um die allgemeinen steuerlichen oder rechtlichen Fragen geht.
Auf den ersten Blick sieht das aus, wie David gegen Goliath, wenn der Nephrologe einem multinationalen Großkonzern gegenübersitzt, der nach Regeln funktioniert, die weder dem Arzt noch seinen gewohnten Beratern vertraut sein dürften. Konzerne unterhalten spezielle Abteilungen, in denen hochqualifizierte und hochspezialisierte Teams arbeiten, die sich mit nichts Anderem als mit Unternehmenstransaktionen beschäftigen. Die Angehörigen des Legal Department sind gewohnt, mit harten Bandagen zu verhandeln, sie sind darauf geschult, mit ihresgleichen, also Kollegen aus anderen Konzernen, die ebenso breit aufgestellt sind, zu verhandeln, Positionen auszutauschen, Rechte und Pflichten zu definieren und auch durchzusetzen. Unterstützt werden diese Abteilungen von internationalen Großkanzleien, den sogenannten Law Firms, die mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Betriebswirten große internationale Transaktionen betreuen und den Auftrag haben, Schwachstellen des Verhandlungspartners unnachgiebig herauszuarbeiten, um bei den Verhandlungen da Beste herauszuholen.
Obwohl die Konzerne den eingesetzten Apparat für den Kauf einer nephrologischen Praxis so klein als möglich halten, bleibt doch das augenfällige Missverhältnis sichtbar, in dem sich ein Nephrologe als Verkäufer und ein Großkonzern als Käufer gegenüberstehen.
Dabei darf man nicht vergessen, dass die Konzerne sich viele der Regeln und Anforderungen nicht aussuchen können, sondern selbst nach den Bestimmungen der Börsenaufsicht, des Kreditwesengesetzes und Aktiengesetztes und vielen internationalen Gesetzen zur Einhaltung dieser Regeln gezwungen sind. Außerdem steht es dem Käufer doch zu, die Kaufsache auf Herz und Nieren zu prüfen, wenn er schon einen erheblichen Kaufpreis dafür entrichtet. Zu guter Letzt sind es ja gerade diese Regeln und die eingesetzten Spezialisten, die die Konzerne so erfolgreich machen und garantieren, dass die erheblichen internationalen Qualitätsstandards überhaupt möglich sind. Und das kommt dann wieder unmittelbar den Nephrologen und ihren Patienten zugute.
Es gibt keinen Grund, gegenüber den Legal Departments und den Law Firms Vorbehalte zu haben. Sie machen ihre Arbeit und das zumeist hervorragend. Gerade deshalb aber sollte der Nephrologe sich selbst gut aufstellen und einen Berater an der Seite haben, der mit den Gegebenheiten bei den Konzernen vertraut und den Anforderungen gewachsen ist.
Die aufgezeigten Besonderheiten zeigen auf, welche Chancen die niedergelassenen Nephrologen zur Stunde in Deutschland haben. Sie machen aber auch sichtbar, dass es eine Herausforderung ist, den Verkaufsprozess zu meistern. Vielleicht kann man das am besten mit einem sportlichen Wettbewerb vergleichen. Den Gegner einschätzen gehört dazu, aber vor allem auch selbst bei guter Kondition zu sein. Außerdem macht es Spaß, sich zu messen, gerade dann, wenn der Gegner hervorragend aufgestellt ist. Jedenfalls solange es fair zugeht und man sich nicht heillos unterlegen vorkommt.
Denn egal, wie günstig die Rahmenbedingungen sein mögen: Nur wer als Nephrologe mit seinem Gegenüber auf Augenhöhe verhandelt, wird die Qualität der anderen als Chance begreifen, um selbst die besten Konditionen zu erzielen.